The Green Team: Ultramarathon im Amazonas
Helden geben nicht auf

„Der Jungle Marathon ist einer der härtesten und gefährlichsten Ultraläufe der Welt“, sagt Veranstalterin Shirley Thompson. Der 57-jährige Friedhelm Weidemann hat sich vier Etappen über insgesamt 132 Kilometer vorgenommen, an einem Tag einen Marathon, 42 Kilometer. Die ganz Hartgesottenen laufen sechs Etappen an sieben Tagen, insgesamt 254 Kilometer. „Es ist ein intensives, schwieriges Rennen und nur die Stärksten werden es schaffen“, so Thompson. Sie behält Recht: Im Oktober 2016 stellen sich 43 Teilnehmer aus 14 Ländern dem Dschungelabenteuer – zwölf von ihnen geben unterwegs auf.

Tag 1 (23 km)
In der ersten Marathonetappe am Amazonas schlägt sich Friedhelm Weidemann durch dichtes Gebüsch und tückische Sümpfe. Natürliche Hindernisse erschweren die Strecke durch den brasilianischen Dschungel.

Tag 1
Der Applaus der Veranstalter und anderer Sportler motiviert den 57-Jährigen zu Höchstleistungen.

Tag 1
Erschöpft aber zufrieden beendet er die erste Etappe.

Tag 2
Kurze Flussabschnitte müssen die Läufer in der zweiten Etappe durchqueren.

Tag 2
Trotz guter Stärkung bricht Friedhelm Weidemann während der zweiten Etappe mit Schwindel zusammen.

Tag 2
Der ehrgeizige Sportler muss vorerst aussetzen: Ärzte verordnen ihm einen Tag Ruhe in der Hängematte.

Tag 3 (42 km)
Nach seiner Zwangspause startet Friedhelm Weidemann erholt in die dritte Etappe: Ein ganzer Marathon mit 42 Kilometern steht heute an. Einen Kilometer geht es durch einen kühlen Fluss.

Tag 3
Obwohl dies der härteste Tag des Jungle Marathons ist, verläuft er für Friedhelm Weidemann erfreulich. Er schafft die 42 Kilometer – mit Stolz und großer Freude

Tag 4 (24 km)
Nun kann ihn nichts mehr stoppen. Weite, sandige und teilweise wüstenartige Strecken legt er in der vierten Etappe zurück. Vor der Sonne schützen nur vereinzelte Bäume.

Tag 4
Auf weiten Teilen der Strecke ist Weidemann der Sonne schutzlos ausgeliefert. Sie führt ihn entlang des Rio Tabajó, einem Nebenfluss des Amazonas.

Tag 4
Nach den anstrengenden letzten Kilometern am sandigen Ufer erreicht Friedhelm Weidemann die Ziellinie der letzten Etappe.

Tag 4
Er hat ihn bezwungen: den härtesten Ultramarathon der Welt.

Respekt vor der Natur

Die gigantischen Bäume, der dichte Regenwald – der Fluss, der ihm so unendlich scheint wie das Meer: All das fasziniert Friedhelm Weidemann. „Wir Menschen dürfen es uns nicht anmaßen, das hier zu zerstören“, erklärt der Sportler. „Der Amazonas muss erhalten bleiben. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.“

Zahlreiche Naturschutzinitiativen, indigene Stämme und politische Aktivisten engagieren sich vor Ort, um ihre Heimat zu schützen. Mit aller Kraft wehren sie sich gegen Abholzung, Raubbau und weitere Großbauprojekte.

Vorbilder vor Ort

Thomas E. Lovejoy, Entdecker der Artenvielfalt

Vom Amazonas inspiriert, hat Thomas E. Lovejoy als Erster den Begriff „biologische Diversität“ verwendet und geprägt. Seit 50 Jahren untersucht er, welche verheerenden Auswirkungen das menschliche Handeln auf den Regenwald hat. Auch mit 75 Jahren stapft er noch in Gummistiefeln durch die Tropen.

Thomas E. Lovejoy, Entdecker der Artenvielfalt

Der Mensch

Eher zufällig verschlägt es Thomas E. Lovejoy 1965 für seine Doktorarbeit in den Amazonas-Regenwald. Bis heute erforscht der Biologe dort, wie sich die Abholzung auf die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten und auf das Artensterben auswirkt.

Im Laufe seiner Karriere berät Lovejoy als Naturschutzexperte unter anderem die Weltbank, die Vereinten Nationen und die US-Regierungen unter Reagan, Bush senior, Clinton und Obama. Zudem leitet er Projekte für Organisationen wie die Smithsonian Institution und den World Wildlife Fund (WWF). Seit 2010 lehrt er als Professor an der George Mason University nahe Washington, D.C..

Ich werde die Gummistiefel anbehalten, auch wenn ich mich einmal zur Ruhe setze.“

Das Projekt

Bereits 1978 ruft Lovejoy das Biological Dynamics of Forest Fragmentation Project ins Leben. Dafür entsteht mitten im Amazonas nahe der Metropole Manaus ein riesiges Forschungsgebiet – mit 1.000 Quadratkilometern größer als Berlin. Teile sind bereits stark abgeholzt. Wissenschaftler vergleichen die Artenvielfalt dort mit jener auf ähnlich großen Flächen im unberührten Regenwald.

Die Ziele

Lovejoy schreibt zahlreiche Bücher und Aufsätze darüber, wie sich Straßenbau, Stadtentwicklung und Landwirtschaft auf Tiere und Pflanze im Regenwald auswirken. Mit seinem Forschungsprojekt geht er dieser Frage nach und kämpft für den Erhalt von Arten wie beispielsweise dem Tapir, der mit bis zu acht Quadratkilometern ein großes Revier braucht. Unter anderem will er eine Mindestgröße ermitteln, die Schutzgebiete im Amazonas haben sollten, um gesund zu bleiben.

Die Ergebnisse

Mit dem Biological Dynamics of Forest Fragmentation Project hat Lovejoy das weltweit größte Langzeit-Experiment zur Fragmentierung von Lebensraum geschaffen. Ursprünglich auf 20 Jahre ausgelegt, läuft es nun schon fast doppelt so lange. Es hat vielen Wissenschaftlern geholfen, die komplexen Auswirkungen der Abholzung besser zu verstehen.

Wir tendieren immer noch dazu, kurzfristig und lokal zu denken, obwohl wir mit dem, was wir tun, das ganze globale System durcheinander bringen.“ Thomas E. Lovejoy

Hunderte Biologen haben in dem Gebiet geforscht und mehr als 700 Aufsätze in Fachmagazinen veröffentlicht. Das Projekt hat außerdem mehr als 20 Studien in anderen Regionen der Welt inspiriert und internationale Entscheidungsträger motiviert, Naturschutzgebiete in Regenwäldern zu schaffen. Nun will Lovejoy sicherstellen, dass das Projekt unbegrenzt fortgeführt wird.

Mehr erfährst du hier: amazonbiodiversitycenter.org

Paulo César Nunes, Wächter der Paranuss

Bereits sein Großvater war von der Paranuss fasziniert. Und steckte Paulo César Nunes an: Der Agrarwissenschaftler möchte mit Produkten rund um die Nuss den Amazonas-Regenwald schützen und dessen Bewohnern eine Perspektive bieten.

Paulo César Nunes, Wächter der Paranuss

Der Mensch

Seine Begeisterung für die Paranuss hat Paulo César Nunes seinem Großvater zu verdanken. Bereits vor 53 Jahren versuchte der, Paranussöl zu gewinnen und zu verkaufen. Doch seine Pläne scheiterten, weil eine ausländische Firma die Kaufverträge stornierte. Die Geschichte seines Großvaters fasziniert Paulo so sehr, dass er entscheidet, Agrarwissenschaften zu studieren.

Ich fuhr durch ganz Brasilien – auf einer Mission, die mein Großvater fünf Jahrzehnte vorher begonnen und sein ganzes Leben lang versucht hatte zu vollenden. Paulo César Nunes

Seit 25 Jahren arbeitet Paulo in sozial-ökologischen Projekten in Rondônia und Mato Grosso: Gemeinsam mit traditionellen Bewohnern des Regenwaldes und Kleinbauern will er nachhaltige Alternativen zu konventioneller Landwirtschaft entwickeln und so den Raubbau am Amazonas verhindern. Die Idee vom Paranussöl lässt den 51-Jährigen nie ganz los.

Das Projekt

Paulo setzt auf nachwachsende Nicht-Holz-Produkte aus dem Amazonas wie die Paranuss. Sie können dem Wald entzogen werden, ohne die Bestände zu gefährden. Er überzeugt mehrere Indios, Kleinbauer-Familien und Landarbeiter von seiner Idee. 2008 gründen sie Coopavam, eine landwirtschaftliche Kooperative. Sie kauft indigenen Sammlern aus den anliegenden Reservaten Paranüsse ab – für das Doppelte der Preise, die kommerzielle Paranusshändler vor Ort zahlen.

Die Ureinwohner der Regenwälder leben bereits seit vielen Jahrhunderten von seinen Ressourcen, ohne sie zu zerstören. Paulo César Nunes

In einer eigenen kleinen Fabrik werden die Paranüsse geknackt und getrocknet, verpackt oder weiterverarbeitet, etwa zu Paranussöl, Mehl, Nudeln und Keksen. 2010 kann Paulo die Mission seines Großvaters verwirklichen: Die erste Lastwagenladung Paranussöl liefert er persönlich aus – quer durch das Land bis nach São Paulo.

Die Ziele

Ich kämpfe, um den Amazonas-Regenwald zu erhalten, auch für seine Bewohner. Paulo César Nunes

Paulo will nachhaltige Alternativen zur konventionellen Landwirtschaft und Viehzucht schaffen. Sie sollen den Amazonas-Bewohnern eine Lebensgrundlage und wirtschaftliche Anreize bieten, den Regenwald zu erhalten und wieder aufzuforsten: Zum einen entstehen Arbeitsplätze vor Ort mit fairen Löhnen. Zum anderen werden die Produkte aus dem Regenwald durch die Weiterverarbeitung aufgewertet. Selbst große Industrieunternehmen sind auf die Handarbeit der Einheimischen angewiesen, wenn sie mitmischen wollen. Denn Paranüsse stammen ausschließlich aus Wildsammlungen – bislang gelingt es nicht, sie zu züchten. Sie wachsen außerdem nur im intakten Regenwald, also vor allem in Gebieten, die von der indigenen Bevölkerung bewirtschaftet werden.

Die Ergebnisse

Viele junge Menschen sind in den letzten Jahrzehnten in die Städte abgewandert, wo sie als billige Hilfskräfte ausgebeutet werden. Nun können sie wieder zurückkommen, hier arbeiten und mit ihren Familien im Wald leben. Paulo César Nunes

Paulos größter Stolz: Coopavam hat Arbeitsstellen mit guten Verdienstmöglichkeiten geschaffen. Die indigenen Sammler erhalten Löhne, von denen sie sich auch außerhalb der Erntezeit versorgen können. Sie kümmern sich ganzjährig um ihr Waldgebiet und kultivieren dort Felder in Permakultur – sie betreiben also die Art Landwirtschaft, die sie seit tausenden Jahren kennen. So werden sie zu wichtigen Schützern des Amazonas.

Ein weiterer positiver Beitrag: In der Paranussfabrik sind vorrangig Frauen beschäftigt. Sie tragen dadurch einen wichtigen Beitrag zum Haushaltseinkommen bei und gewinnen somit an Ansehen und Einfluss innerhalb der Familie und in der Gesellschaft.